Harmonisierte Norm (Harmonized Standard)
Eine harmonisierte Norm ist eine technische Spezifikation, die von einer anerkannten europäischen Normungsorganisation gemäß Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 erstellt und im Amtsblatt der Europäischen Union (OJEU) veröffentlicht wird. Sie dient Herstellern dazu, die Einhaltung grundlegender Anforderungen verschiedener EU-Rechtsvorschriften nachzuweisen, unter anderem:
Rechtliche Grundlage und Anerkennung
Harmonisierte Normen werden im Rahmen des Neuen Rechtsrahmens (New Legislative Framework, NLF) entwickelt. Verantwortlich sind die anerkannten europäischen Normungsorganisationen:
ETSI – Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen
CEN – Europäisches Komitee für Normung
CENELEC – Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung
Rechtliche Wirkung erhalten harmonisierte Normen erst durch ihre Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (OJEU). Mit dieser Veröffentlichung können Hersteller sie als anerkanntes Mittel zum Nachweis der technischen Anforderungen nutzen.
Vermutungswirkung der Konformität
Wird ein Produkt nach einer im OJEU gelisteten harmonisierten Norm hergestellt, entsteht die Vermutung der Konformität mit den entsprechenden grundlegenden Anforderungen der zutreffenden EU-Richtlinie (z. B. RED, EMCD, LVD).
Diese Vermutungswirkung gilt nur für die Aspekte, die von der Norm vollständig abgedeckt werden. Hersteller müssen daher sicherstellen, dass alle weiteren produktspezifischen Anforderungen ebenfalls erfüllt werden.
Rolle in der Konformitätsbewertung
Die vollständige Anwendung harmonisierter Normen bietet Herstellern einen vereinfachten Weg durch die Konformitätsbewertung. Sie ermöglicht:
die Nutzung des Konformitätsbewertungsmoduls Modul A (Interne Fertigungskontrolle)
den Verzicht auf die Einbindung einer Benannten Stelle
die Angabe der verwendeten Normen in der EU-Konformitätserklärung (DoC)
Damit unterstützen harmonisierte Normen einen strukturierten, effizienten und rechtssicheren Marktzugang.
Typische Anwendungsbeispiele
Die folgende Tabelle zeigt eine praxisorientierte Auswahl häufig verwendeter harmonisierter Normen nach RED und LVD. Sie erleichtert die Zuordnung geeigneter Spezifikationen für Funkanlagen und elektrische Produkte im Konformitätsprozess.
| Norm | Anwendungsbereich | Hinweis |
|---|
- DFS (Dynamic Frequency Selection): Automatischer Kanalwechsel zur Vermeidung von Radarstörungen.
- TPC (Transmit Power Control): Dynamische Sendeleistungsregelung.
- LPI (Low Power Indoor): Innenraumgeräte mit begrenzter Sendeleistung.
- VLP (Very Low Power): Sehr geringe Leistung für mobile/tragbare Anwendungen.
- VNX (Koexistenzbewertung): Bewertung des zeitgleichen Betriebs mehrerer Funktechnologien (Annex E/F).
Stand: November 2025 · Quelle: OJEU / ETSI
Einschränkungen und Besonderheiten
Die Anwendung harmonisierter Normen ist freiwillig; Hersteller dürfen auch andere technische Lösungen nutzen.
Unabhängig von der gewählten Methode müssen alle gesetzlichen Anforderungen der jeweiligen EU-Richtlinie vollständig erfüllt werden.
Für bestimmte Produkttypen stehen keine harmonisierten Normen zur Verfügung, insbesondere bei neuen oder spezialisierten Technologien.
Deckt eine Norm nur Teile der relevanten Anforderungen ab oder existiert keine passende Norm, kann die Einbindung einer Benannten Stelle im Rahmen der Konformitätsbewertung erforderlich sein.